Judas fragte ihn: Herr, warum willst du dich nur uns offenbaren und nicht der Welt? Jesus antwortete ihm: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.
Zum Abschluss der Oster-Oktav ein Blick in das letzte Opus magnum unseres verehrten Papa Benedetto: Jesus von Nazareth. *
Das neunte Kapitel des zweiten Teils ("Die Auferstehung Jesu aus dem Tod") schließt mit einer Betrachtung des oben angeführten Berichtes (Einheits-Übersetzung) von der Erscheinung des Auferstandenen:
Am Schluss bleibt freilich für uns alle immer wieder die Frage, die Judas Thaddäus im Abendmahlssaal an Jesus gerichtet hat: "Herr, was ist geschehen, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?" (Joh 14,22) Ja, warum bist du nicht machtvoll deinen Feinden gegenübergetreten, die dich ans Kreuz gebracht haben? - so möchten wir fragen. Warum hast du ihnen nicht mit unwiderlegbarer Kraft gezeigt, dass du der Lebendige bist, der Herr über Leben und Tod? Warum zeigtest du dich nur einer kleinen Schar von Jüngern, deren Zeugnis wir uns nun anvertrauen müssen?
Die Frage betrifft freilich nicht nur die Auferstehung, sondern die ganze Weise der Offenbarung Gottes in der Welt. Warum nur Abraham - warum nicht den Mächtigen der Welt? Warum nur Israel und nicht unbestreitbar allen Völkern der Erde?
Es ist das Geheimnis Gottes, dass er leise handelt. Dass er nur allmählich in der großen Geschichte der Menschheit seine Geschichte aufbaut. Dass er Mensch wird und dabei von den Zeitgenossen, von den maßgebenden Kräften der Geschichte übersehen werden kann. Dass er leidet und stirbt und als Auferstandener nur über den Glauben der Seinigen, denen er sich zeigt, zur Menschheit kommen will. Dass er immerfort leise an die Türen unserer Herzen klopft und uns langsam sehend macht, wenn wir ihm auftun.
Und doch - ist nicht gerade dies die göttliche Art? Nicht überwältigen mit äußerer Macht, sondern Freiheit geben, Liebe schenken und erwecken. Und ist das scheinbar so Kleine, wenn wir es gut bedenken, nicht das wahrhaft Große? Geht nicht von Jesus eine durch die Jahrhunderte wachsende Lichtspur aus, die von keinem bloßen Menschen kommen konnte und in der wirklich das Licht Gottes in die Welt hereinleuchtet? Hätte die Predigt der Apostel Glauben finden und eine weltweite Gemeinschaft aufbauen können, wenn nicht die Kraft der Wahrheit in ihr gewirkt hätte?
Wenn wir den Zeugen wachen Herzens zuhören und uns den Zeichen öffnen, mit denen der Herr sie und sich selbst immer neu beglaubigt, dann wissen wir es: Er ist wahrhaft auferstanden. Er ist der Lebende. Ihm vertrauen wir uns an und wissen, dass wir auf dem rechten Weg sind. Mit Thomas legen wir unsere Hände in die durchbohrte Seite Jesu und bekennen: "Mein Herr und mein Gott!" (Joh 20,28)
Bleibt zu ergänzen: Geradezu in - scheinbarer, vordergründiger - Umkehrung der Bergpredigt: "Klopft an, dann wird euch geöffnet" (Mt 7,7) weissagt uns der Seher Johannes:
Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir." (Apk 3,20)
* Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Zweiter Teil: Vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg im Breisgau (Herder) 2011, S. 301 f.
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