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Martin Schongauer: Noli me tangere. Musée d'Unterlinden, Colmar |
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Zweimal in der Osteroktav, am Donnerstag und Samstag, steht Maria Magdalena im Mittelpunkt des Evangeliums vom Tage. In zwei Perikopen hören wir die ergreifende Erzählung des Evangelisten Johannes, wie die Apostola Apostolorum "am ersten Wochentage in der Frühe, da es noch dunkel war" das leere Grab entdeckt, die Apostel Petrus und Johannes verständigt und wie ihr selbst daraufhin die Gnade der ersten Begegnung mit dem Auferstandenen zuteil wird.
Einen wunderbaren kleinen Essay "Maria aus Magdala"* hat Erhart Kästner dieser Frau gewidmet. Sein Schlussteil kreist ganz um das zwanzigste Kapitel des Johannes, um den Glauben an die Auferstehung:
... Dann, gegen Morgen, kommt ihre Stunde. Alles, alles kommt jetzt auf sie zu. Ihre Treue, ihr Erbarmen, ihre Standhaftigkeit, ihr nach nichts, nach gar nichts fragender Trieb treibt sie zum Durchbruch. Sie ist die erste, der die ungeheure Gewissheit erwächst, dass der Tod Christi kein Ende, sondern ein Anbeginn ist.
Und nun also:
Maria aus Magdala steht vor dem Grab. Sie wendet sich, sieht eine Gestalt, aber sie merkt nicht, dass Christus es ist. Es ist mit den Augen ja auch nicht zu erkennen, nie, auch in Emmaus, auch bei den Jüngerversammlungen nicht. Sie denkt: der Gärtner Herrn Josephs wird es wohl sein. Es werden Worte gewechselt und sie merkt es immer noch nicht: auch das Ohr kann nichts melden. Da ruft sie Christus beim Namen: "Maria!" Es ist der Namensanruf, wir kennen ihn aus der Paradiesesgeschichte. Dies ist ihr Augenblick, dies ihr Ereignis: sie bricht in die Knie und sie leistet das Ihre, indem sie antwortet: "Rabbuni!" - das ist, in einem einzigen Wort, ein jähes Glaubensbekenntnis, denn es ist die feierlich gesteigerte aramäische Anrede, die nur dem Gott, keinem Menschen geziemt. Und so ist sie die erste, die an den Auferstandenen glaubt.
[Zweiter Teil folgt]
*In: Erhart Kästner: Ölberge, Weinberge. Ein Griechenlandbuch. Fischer-Bücherei 1961