Dienstag, 31. Januar 2012

Sola Fide ? - Dicker Hund !

In einem nicht ganz ernst gemeinten Beitrag über lutherische Eigenwilligkeiten bei der Übersetzung des Neuen Testaments habe ich als "skandalös" herausgestrichen, dass die Lutheraner in ihren NT-Übersetzungen (selbst den wissenschaftlichen) wie auch in der liturgischen Praxis das wichtigste Gebet der Christenheit, das Vaterunser (Mt 6,13), seit jeher mit dem bekannten Zusatz versehen, den die Katholiken in Deutschland ökumenisch-entgegenkommend längst übernommen haben: "... denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."
Nun hat mittlerweile meine Theologie studierende Nichte mich darüber aufgeklärt, dass diese sogenannte Doxologie keineswegs eine lutherische Erfindung ist, sondern bereits im zweiten Jahrhundert im Raum der syrischen Kirche erscheint und spätestens im fünften Jhd. in einige NT-Handschriften aufgenommen wurde. Also offenbar schon damals eine Frage der Ökumene. Was aber grundsätzlich nichts ändert. Denn: So hat Jesus seine Jünger ganz sicher nicht beten gelehrt.

Deshalb werde ich mich nun auch nicht bei den Lutheranern entschuldigen, sondern im Gegenteil auf eine noch schwererwiegende, weil für die Dogmatik höchst relevante Eigenmächtigkeit in der NT-Übersetzung hinweisen, wobei ich mir bewusst bin, dass das alles zumindest für die Fachtheologen unter meinen Lesern längst "kalter Kaffee" ist und ich sie damit langweile.

Römerbrief 3,28:  "Denn wir sind der Meinung, dass der Mensch gerecht wird durch Glauben, ohne Werke des Gesetzes."
Luther fügte hier in seine Übersetzung höchsteigenhändig ein auf den ersten Blick harmloses Wörtchen ein: "... allein (durch Glauben)...", womit wir bei dem berühmten Eckpfeiler der lutherischen Konfession wären: Sola fide  -  sola gratia  -  sola scriptura.-  
Als man ihm wegen dieser, nur scheinbar unwesentlichen, Schriftverfälschung Vorhaltungen machte, soll er mit einer lateinischen Redensart  -  einem Zitat  in Hexameter-Form  -  geantwortet haben: 
"Hoc volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas.   -  Dies will ich, so befehle ich es, als Begründung gelte mein Wille."
Sollte diese Überlieferung authentisch sein, dann allerdings dürfte der Luther'sche Dogmatismus jede noch so absolutistische Papst-Diktatur mitsamt ihrem Unfehlbarkeitsdogma weit in den Schatten stellen.

Also mir war das neu.
Jetzt ist aber Schluss mit lustig!



Montag, 30. Januar 2012

Klerus und Schach (4)



A. Paul Webers Selbstportrait als Schachspieler (1976)



Den schach-allegorischen Streifzug dieses Künstlers durch die Geschichte im allgemeinen und die Kirchengeschichte im besonderen möchte ich noch ein wenig weiterverfolgen.  
Nach dem Kulturkampf in der dritten Folge dieser Serie soll nun das 18. Jahrhundert mit dem Thema  "Der Papst und die Aufklärung" an die Reihe kommen.  Auch hier hat der Zeichner ein älteres Motiv nach Jahrzehnten wiederaufgenommen und variiert.  Charakteristisch ist für Webers Stil   -  den ich Phantastischen Realismus  nennen möchte  -,  wie die Figur des furiosen Aufklärers ins Tierhafte, Vogelhafte changiert.

 

In der späteren Version hingegen lässt sich in dem Gegner des bedrängten Papstes unschwer der Protagonist der französischen Aufklärung, Francois Marie Arouet, besser bekannt als Voltaire, erkennen. (Ironie der Geschichte, wie ausgerechnet der Erzfeind der Kirche zu diesem erz-katholischen Taufnamen gekommen ist !)


Sehr schön illustrieren die beiden kleinen Kunstwerke die Stürme der geistigen und politischen Revolutionen in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten, die über die Kirche hinwegfegten und sie ganz in die Defensive zwangen.  Doch wie man auch sieht, hat der Verfechter der Aufklärung in seinem Übereifer hier die Regeln des Fairplay eindeutig hinter sich gelassen.




Samstag, 28. Januar 2012

Jeder nach seiner Fasson

Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach seiner Fasson Selich werden.
Zitiert nach : Büchmann, Geflügelte Worte

Dieser Marginalie von König Friedrich II. auf  einem schriftlichen Bericht seines Staatsministers verdanken wir das berühmt gewordene Zitat.  Wohl kaum ein Festredner oder Feuilletonist (dieses Blog eingeschlossen) hat es  zum dreihundertsten Geburtstag des Preußenkönigs am vergangenen Dienstag versäumt, dessen, aus moderner Sicht, hervorragendste Errungenschaft  rühmend hervorzuheben: die Toleranz als Staatsprinzip  -  so lautete auch der Titel eines Beitrags von Frank-Lothar Kroll im Feuilleton der Tagespost.
Nun hat auf diesen Artikel Dr. Gotthard Klein aus Berlin mit einem Leserbrief reagiert, der durchaus Beachtung verdient,  da er erstens mit der vielgerühmten friderizianischen Toleranz ziemlich ernüchternd abrechnet und zweitens offenbar auf solidem Quellenstudium beruht.
Wie sah denn die praktische Seite  des schönen Scheins aufgeklärter Toleranz aus?  ... Kann man im Ernst behaupten, dass sich die katholischen Zeitgenossen generell großzügiger Freiheiten erfreut hätten? ...
Unstrittig ist ... der Quellenbefund: Überliefert sind zahlreiche antikatholische Stereotypen: "Mummenschanz" nannte Friedrich das heilige Messopfer, den Papst titulierte er "altes Götzenbild", Katholiken galten ihm nur "als halbe Menschen", der Dominikaner Raymundus Bruns (1706-1780) wurde vollkommen willkürlich monatelang eingekerkert. Soll man das alles nur als geistreiche Grobheiten eines zynischen Agnostikers ... einfach abtun?  Jedenfalls hatten sie für den Priester Andreas Faulhaber (1713-1757) tödliche Folgen. Aufgrund der Aussagen von zwei bei Prag desertierten Söldnern wurde er auf ausdrücklichen Befehl Friedrichs II. am 30. Dezember 1757 ohne jeglichen geistlichen Beistand in Glatz gehenkt. Dazu genügte die "unbeweisbare Behauptung" (N. Conrads), Faulhaber habe in der Beichte von der Fluchtabsicht erfahren und die Absolution erteilt. Erst nach der Einnahme der Festung Glatz durch die Österreicher 1760 wurde die Leiche vom Galgen geborgen und kirchlich bestattet. Der Untergang der preußischen Monarchie ermöglichte schließlich die Vorbereitung eines Seligsprechungsverfahrens, das dann aber wegen der Vertreibung der Glatzer Katholiken nicht mehr eröffnet werden konnte.
Also auch an diesem deutschen Mythos scheint, bei näherem Hinsehen, der Lack abzublättern. Was bleibt noch vom Großen Friedrich?

Ach ja, übrigens: 
Eventuelle Ähnlichkeiten mit zeitgenössischen Diskrepanzen zwischen "aufgeklärter" Toleranz-Ideologie und Wirklichkeit sind zwar (vielleicht) rein zufällig, aber alles andere als unbeabsichtigt!




Mittwoch, 25. Januar 2012

Können und müssen

Im Zusammenhang mit zwei aktuellen, vieldiskutierten, Glauben und Kirche massivst tangierenden  - sagen wir mal -  Bühnenproduktionen in Hamburg und Mailand ist mir eine Art Leitspruch  - scheint mir -  des zeitgenössischen "Kunst"-Betriebs in den Sinn gekommen, der irgendwo, irgendwann mal von irgendeinem angesagten Guru, weiß nicht mehr von welchem, abgesondert  wurde.  Er lautet:
"Kunst kommt nicht von können, sondern von müssen."
Falsch.  Kunst kommt nach wie vor von können.
Von müssen kommt Exkrement.  Im übertragenen wie im wörtlichen Sinn.
Quod erat demonstrandum.



Dienstag, 24. Januar 2012

Preußens Gloria


Katholiken, Lutheraner, Reformierte, Juden und zahlreiche andere christliche Sekten wohnen in Preußen und leben friedlich beieinander. Wenn der Herrscher aus falschem Eifer auf den Einfall käme, eine dieser Religionen zu bevorzugen, so würden sich sofort Parteien bilden und heftige Dispute ausbrechen. Verfolgungen würden beginnen, und schließlich würden die Anhänger der verfolgten Religionen ihr Vaterland verlassen, Tausende von Untertanen würden unsere Nachbarn mit ihrem Gewerbefleiß bereichern und deren Volkszahl vermehren.
Aus dem Politischen Testament (1752)

Geht man auf den Ursprung der bürgerlichen Gesellschaft zurück, so ist es ganz augenscheinlich, dass der Herrscher keinerlei Recht über die Denkungsart der Bürger hat. Müsste man nicht von Sinnen sein, um sich vorzustellen, Menschen hätten zu ihresgleichen gesagt: Wir erheben dich über uns, weil wir gern Sklaven sein wollen, und wir geben dir die Macht, unsere Gedanken nach deinem Willen zu lenken? Sie haben im Gegenteil gesagt: Wir bedürfen deiner, damit die Gesetze, denen wir gehorchen wollen, aufrechterhalten werden, damit wir weise regiert und verteidigt werden; im übrigen verlangen wir von dir, dass du unsere Freiheit achtest. Damit ist das Urteil gesprochen; es gibt keine Berufung dagegen.  Die Toleranz ist für die Gemeinschaft, in der sie eingeführt ist, sogar so vorteilhaft, dass sie das Glück des Staates begründet. Sobald jeder Glaube frei ist, hat alle Welt Ruhe; während Glaubensverfolgung die blutigsten und langwierigsten Bürgerkriege verursacht hat.
 Regierungsformen und Herrscherpflichten (1777)




Auch wenn Le Penseur und Laurentius mir längst zuvorgekommen sind  -  auch ich möchte Seiner Majestät schuldige Reverenz erweisen. Also: 

König Friedrich II., "der Große", von Preußen (1740-1786), eine schillernde Persönlichkeit, feiert heute seinen dreihundertsten Geburtstag.  
Glückwunsch, Majestät!

Preußen hat er  - keine Frage -  groß gemacht, seinen Traum von unsterblichem Nachruhm, dem er auf den Schlachtfeldern viele tausend Menschenleben opferte, hat er sich weitgehend erfüllt. Ein wichtiger und eminent zukunftsträchtiger Aspekt seiner Staatspolitik war die religiös-weltanschauliche Toleranz und Neutralität des Staates, deren entschiedener Verfechter er war; zugleich dürfte dies auch derjenige Aspekt seines historischen Wirkens sein, dessen Aktualität in unserer heutigen Welt eher zu- als abnimmt.   
Die Wurzeln dieser vielgerühmten Toleranz im friderizianischen Preußen zeigen, glaube ich, die obigen Zitate aus Friedrichs literarischem Oeuvre recht gut auf: Einmal war es die aus der französischen Aufklärung (v.a. Rousseau) kommende Idee vom Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag, in der bereits Vorstellungen von Glaubens- und Gedankenfreiheit als Grundrechten angelegt sind;  zum andern die nackte Überlebensfrage, die Staatsraison: Preußen, eigentlich immer ein armes Land, konnte, zumal wenn es im Konzert der Mächte mitspielen wollte, sich keine bevölkerungs- und wirtschaftspolitischen Fehlgriffe leisten.  Hinzu kam als drittes bei Friedrich sicher noch ein rein persönlicher Faktor: seine völlige Indifferenz in Glaubensdingen.
Kurz und gut: Weder Glorifizierung noch Verdammung bringen uns der historischen Wahrheit auch nur einen Schritt näher.
Weiter möchte ich hier, auch aus Zeitgründen, dieses spannende Thema nicht vertiefen (mein Blog-Titel bedeutet ja auch "kurze Anmerkungen"), stattdessen  die ernste Historie ein wenig von der anekdotisch-humoristischen Seite nehmen und noch eine von A. Paul Webers Schach-Karikaturen präsentieren (Le Penseur möge mir verzeihen!):


                                                    Maria Theresia und der Alte Fritz (1975)


Der Alte Fritz als vollendeter Kavalier nach siegreich beendeter Partie.
Hinweis für Nicht-Historiker: Es sind keine Pralinen, die er ihr anbietet!


Zum Schluss sei noch angemerkt, dass alle hier von mir eingestellten Werke von A. Paul Weber folgendem Band entnommen sind: A. Paul Weber: Schachspieler, hrsg. v. Günther Nicolin,  Hamburg 1988.



Samstag, 21. Januar 2012

Klerus und Schach (3)

Schach ist weniger ein Spiel als eine geistige Kampfsportart. Wer es jemals wettkampfmäßig gespielt hat, der weiß, was ich meine. Der Sport- und Kampfcharakter des Schachspiels beruht sowohl auf seiner hohen Komplexität wie auch auf dem völligen Fehlen des Zufallsfaktors. Dadurch erhebt es sich einerseits weit über andere Brett- und Strategiespiele, andererseits rückt es, ohne seine rein geistige Sphäre zu verlassen, in die Nähe von physischen Wettkampf-Sportarten wie Fußball, Volleyball, Tennis, Fechten. 
Von seinem Ursprung und Wesen her ist Schach Abbild und Gleichnis der großen und kleinen Kämpfe unseres wirklichen Lebens. So verwundert es nicht, dass zahlreiche metaphorische Redewendungen aus der Welt des Schachs unsere Alltagssprache bevölkern. Eines der ältesten und gebräuchlichsten Beispiele ist wohl das Wörtchen matt  - im Sinne von kraftlos, schwach -   das auf das arabische schah mat, d.h. der König ist tot, zurückgeht.  Jemand ist nur eine Schachfigur, er wird also benutzt und beliebig hin- und hergeschoben.  Jemand wird in Schach gehalten, soll heißen streng kontrolliert und seiner Eigeninitiative beraubt. Vor allem Politiker verzichten ungern auf kluge Schachzüge und Bauernopfer,  wobei Parteifreunde skrupellos zugunsten strategischer oder taktischer Vorteile fallengelassen werden. Und eine Patt-Situation lässt es endgültig nicht mehr zu, dass einer der Gegner die Partie für sich entscheidet.

Der geniale Zeichner A. Paul Weber (1893-1980) hat sich mit dem Schachspiel als Allegorie des Kampfes und der Auseinandersetzung ausgiebig beschäftigt und dieses Motiv vielfältig, originell, zuweilen witzig und humorvoll variiert.  Auch er lässt, wie der Karikaturist im Kladderadatsch, den Reichskanzler Bismarck im Kulturkampf (1871-1887) gegen die Katholische Kirche antreten, doch scheint hier die Sympathie des Zeichners einseitig dem gemütlichen, braven Eisernen Kanzler zu gehören, während sein ultramontaner Gegner, natürlich ein Jesuit, an ähnliche, mit antiklerikaler Tendenz, aber ziemlich klischeehaft überzeichnete Figuren bei Wilhelm Busch und Honoré Daumier erinnert.  Man beachte das Papstwappen auf der Reisetasche links unten.

Kulturkampf (1976)


In einer Variante des Themas wird gar ein biederer, liberaler deutscher Durchschnittsbürger zum Opfer des finsteren, intriganten, obskurantischen, geradezu schlangenhaften Vertreters der "Schwarzen Internationale" (Egon Friedell), der drohende Schatten wirft und folgerichtig auch nur die schwarzen Steine führen kann.

Jesuit und Bürger (1937)

Wie gesagt, der Zeichner bediente sich hier eines gängigen, aus Vorurteilen und Verschwörungstheorien gespeisten Klischeebildes vom Katholizismus. Aber immerhin, was waren das noch für Zeiten, als der Jesuit nicht nur eindeutig äußerlich als solcher zu erkennen, sondern auch noch die Symbolfigur schlechthin für den Ultramontanismus, also Treue zum Papst, war!  Und welche tiefsitzenden Ängste in der deutschen Bürgerseele ließen aus ihm diese gänzlich unsympathische Karikatur werden!



Freitag, 20. Januar 2012

Form und Inhalt

Ich bekenne mich offen zu der naiven Schar, die aus der Oberfläche, der äußeren Erscheinung auf die innere Beschaffenheit und womöglich Wahrheit oder Verlogenheit einer Sache schließt. Die Lehre von den "inneren Werten", die sich in schmutziger, verkommener Schale verbergen, kommt mir nichr geheuer vor.  Dass die Seele dem Körper die Form und das Gesicht, seine Oberfläche verleiht, glaubte ich schon, als ich noch nicht wusste, dass dieser Satz eine Definition des kirchlichen Lehramtes war. Mit mediterraner Primitivität glaube ich, dass eine unwahre, verlogene, gefühllose Sprache keinen Gedanken von Wert enthalten kann. Was für die Kunst gilt, muss in noch viel höherem Maß jedoch das öffentliche Gebet der Kirche treffen; wo das Häßliche sonst nur auf das Unwahre schließen lässt, bedeutet es im Bereich der Religion die Anwesenheit des Satanischen.
 Martin Mosebach, Häresie der Formlosigkeit


Sonntag, 15. Januar 2012

Klerus und Schach (2)

 



Vlastimil Hort  zählte jahrzehntelang im internationalen Schachsport zu den ganz großen Meistern. 
1979 übersiedelte der gebürtige Tscheche, Jahrgang 1944, in die Bundesrepublik, nahm später die deutsche Staatsbürgerschaft an, spielte viele Jahre in der Bundesliga und vertrat auch seine Wahlheimat im Nationalteam.
Vor allem aber ist Vlastimil Hort  ein ganz besonders  sympathischer und liebenswürdiger Vertreter seiner Zunft.  Vor Jahren konnte ich Großmeister Hort persönlich als wahren gentleman des Schachs kennenlernen, als einen, dem Arroganz und Star-Allüren völlig fremd sind, als ich, in Nußloch bei Heidelberg, die Ehre und das Vergnügen hatte, gegen ihn antreten zu dürfen. Natürlich nicht auf "Augenhöhe", sondern bei einem sogenannten Simultanspiel, wobei ein Schachmeister gegen mehrere, oft einige Dutzend durchschnittliche Spieler gleichzeitig spielt. Selten hat dabei so ein Amateur auch nur den Hauch einer Chance gegen den Meister; der Leistungsunterschied ist gigantisch.
Ich war in guter Form und gab mein Bestes, musste aber schon nach 33 Zügen die Waffen strecken, drückte meinem prominenten Gegner die Hand  und bat um ein Autogramm. Hort, mit böhmischem Akzent: "Sie haben sehr gut gespielt,  Dankeschön."  Dabei hatte ich den Großmeister, der wohlgemerkt etwa zwanzig Partien simultan zu bestreiten hatte, allenfalls genötigt, an meinem Brett ein paar Mal länger als zehn Sekunden zu verweilen und die Partiestellung zu mustern,  bevor er seinen Gegenzug ausführte. Und dennoch hat er mir, dem Dilettanten, nicht einen Augenblick lang das Gefühl vermittelt, als Gegner, als Partner nicht ernstgenommen zu werden.

In einer kleinen autobiographischen Skizze Schach ist das Leben (in: "Schach", ed. H. Pfleger / H. Metzing) erzählt Vlastimil Hort von seiner Kindheit und den ersten Schritten in die Schachwelt in seiner Heimatstadt Kladno, unweit von Prag.
Wie schon gesagt, zu Meisterschaftskämpfen ging es am Sonntag. Falls die Schachgesellschaft "Slovan Kladno" auswärts spielte, hatten wir sogar einen Bus zur Verfügung. Ich konnte mitfahren und zugucken, weil jeder im Verein zu dem Jüngsten nett war, und die Schachwelt erschien mir als Paradies. 
"Jetzt noch schnell zur Kirche", sagte Metzgermeister Saidl zu unserem Fahrer. Ich wusste im ersten Augenblick nicht, ob die erste Mannschaft vor dem entscheidenden Kampf noch beten wollte, jedenfalls war es mir ein Rätsel, warum wir zur Kirche fuhren und so noch mehr Zeit verloren. An diesem Sonntag ging es nach Podebrady, und weil sich die Spieler langsam versammelten, war es schon bedenklich spät. Die Wartezeit war auf eine Stunde begrenzt und sollte von Gästen nicht überschritten werden. Ich wusste damals nicht, dass der Verein eine versteckte Trumpfkarte besaß, die nur in äußerst dringenden Fällen ausgespielt wurde.
Der Bus wartete, plötzlich öffnete sich das Kirchtor, und man konnte noch die letzten Orgelakkorde der Messe hören. Herbei stürzte eine schwarze Figur, der Pfarrer der Stadt Kladno, der dritte Ferda, mit vollem Namen Ferdinand Laudin, stieg in den Bus, er hatte sich im Laufen noch die Priestersoutane ausgezogen, und nun ging es in aller Eile nach Podebrady. Der Busfahrer sah auf die Uhr und sagte mit ruhiger Stimme zu ihm: "Wir haben noch Zeit, hochwürdiger Herr", und fuhr mit uns wie Niki Lauda nach Podebrady, einem schönen Kurort, wo sich die Rivalen zu unbarmherzigem Kampf trafen.  Herr Pfarrer Laudin spielte sehr selten, dann aber sehr gut am ersten Brett, und wenn er die Partie nach zwanzig Zügen gewonnen hatte, war mein Vertrauen zu ihm "himmelhoch".
So hat  Hochwürden Ferda Laudin,  der Pfarrer von Kladno,  wohl  nicht wenig dazu beigetragen, dass  aus dem kleinen Vlastimil  ein wirklich großer Meister  geworden ist.
Im Rückblick stellt der Erzähler seinen Schach-Vorbildern die fiktive Interview-Frage "Was bedeutet für euch Schach?" und legt Pfarrer Laudin folgende Antwort in den Mund:
Schachspiel ist wunderbar. Wenn ich eine schöne Schachstudie sehe oder einen entscheidenden Angriff beginne, dann freue ich mich doppelt über die menschliche Vollkommenheit, die wir von unsrem Herrn geschenkt bekamen.









Samstag, 14. Januar 2012

Islam, Historie und p. c.

Die islamische Welt des Mittelalters war über weite Strecken der abendländisch-christlichen Welt kulturell überlegen. Im islamischen Kulturraum entdeckte man die Weisheit der alten griechischen Philosophie und Wissenschaft zu einem Zeitpunkt wieder (8. bis 12. Jahrhundert), wo man in Europa in finsterer Barbarei verharrte.  Nur durch die Vermittlung der muslimischen Araber konnten die Abendländer im 12. Jahrhundert zum ersten Mal wieder mit diesem Wissen in Kontakt kommen. -  So will es eine weit verbreitete Lesart der europäischen Geistesgeschichte.
Doch es war anders: das christliche Abendland war nicht darauf angewiesen, sein eigenes griechisches Erbe aus den Händen der muslimischen Araber als milde Gabe zu empfangen. Und die Muslime selbst waren auf Christen angewiesen, die ihnen diese Schätze zugänglich machten. So könnte man zwei der wichtigsten Hauptthesen von Sylvain Gouguenheims Buch "Aristoteles auf dem Mont Saint-Michel. Die griechischen Wurzeln des christlichen Abendlandes" formulieren. Der Autor ist Mediävist an der Universität Lyon.

Soweit die Buchbesprechung von Clemens Schlip in der Tagespost vom 28.12.11: "Syrische Christen lasen das griechische Original."  (Direkt-Link leider nicht möglich)

Und was hat das alles mit political correctness zu tun?
Bei seiner Ersterscheinung in Frankreich 2008 rief das Buch kontroverse Reaktionen hervor. Eine Petition von Dozenten und Studenten der Universität Lyon  sowie ein in der Tageszeitung "Liberation" veröffentlichter Protest von 58 Historikern richteten sich gegen Gouguenheim, dessen Buch andernorts dagegen - besonders auch bei Katholiken -  großen Anklang fand. Diese geteilte Aufnahme hat wohl den Verlag der deutschen Ausgabe bewogen, dem von gewissen Kreisen scharf attackierten Titel gewissermaßen als "Gegengift" einen kritischen Kommentar der Mediävisten Martin Kintzinger und Daniel König anzufügen, der sich von den Thesen des Franzosen weitgehend distanziert.
Damit dürfte die obige Frage beantwortet sein. 
Wie kann man auch nur mit so wenig Feingefühl ein etabliertes Geschichtsbild aus den Angeln heben, in dem sich die herrschende Zeitgeist-Ideologie so bequem eingerichtet hat, eine Ideologie, die vorauseilende Anbiederung an den Islam mit geradezu pathologischem Hass auf das eigene, das christliche Erbe Europas verbindet.
Immerhin gebührt, trotz allem, der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft in Darmstadt Anerkennung für die deutsche Edition des Buches von Sylvain Gouguenheim.


   

Donnerstag, 12. Januar 2012

Klerus und Schach


So, jetzt ist es passiert. Jetzt ist es endgültig so weit, ich kann nichts dafür. Was jetzt kommt, hat der Herr Alipius allein zu verantworten. Warum muss er auch in leichtfertiger Weise  mit seinen bezaubernden, opulent-verspielten Rokoko-Genre-Gemälden meine alte, unselige, nur scheinbar schlummernde, in Wahrheit gänzlich zügellose Schach-Leidenschaft regelrecht reanimieren?   Schachspielende Kardinäle hat er präsentiert, Prälaten, Bischöfe, Äbte, Domherren, Ministranten, wenn nicht  gar  etliche Chorherren, und deren wohl  nicht wenige - ei, ei !  - mit liebreizenden Hofdamen in gar anmuthigen Partien vertiefet !  Herrlich!
Und köstlich, wie auf obigem (beim Herunterladen leider etwas verstümmeltem) Bild sowohl am wie auf dem Brett sich nicht Schwarz und Weiß, sondern Rot und Weiß gegenüberstehen bzw. -sitzen, und zwar in wechselnden Farben!   

Also  -  jetzt kann ich nicht mehr anders, jetzt muss ich das hier bringen, (vielleicht wird sogar eine kleine Serie daraus ?).
Immerhin befinde ich mich mit meiner Passion in allerbester, höchst eminenter, kirchenfürstlicher,  ja sogar päpstlicher Gesellschaft!

Voilà, die Ouvertüre:   Papst Leo XIII. gegen Fürst Bismarck.


Natürlich haben wir hier "nur" eine allegorische Karikatur aus dem Kladderadatsch vor uns, zum Thema  "preußisch-deutscher Kulturkampf"  (wobei es sich möglicherweise auch  um Pius IX. handeln könnte). Man beachte die Schachfiguren des Papstes: Encyclica, Syllabus, Interdict, wogegen  der Reichskanzler seine Dame Germania und das Klostergesetz ins Feld führt.


Weniger bekannt dürfte sein, dass der vielseitig hochgebildete Leo XIII. auch im wirklichen Leben ein großer Schachliebhaber, dazu noch ein recht spielstarker, gewesen ist, wie folgendes Partie-Finale beweist:

Schwarz am Zug



Mal sehen, vielleicht findet sich ja unter den Besuchern meines Blogs der eine oder andere Schachfreund, der, wie ich, seine Freude daran hat, die furiose Attacke (mit Turm-Opfer)  zu entdecken, mit der Gioachino Conte Pecci, der zukünftige Papst Leo XIII., die Stellung des weißen Königs erstürmte, um seinen Gegner mit den nächsten fünf Zügen aufs Kreuz zu legen.


Papst Leo XIII.



 






Mittwoch, 11. Januar 2012

Vier gute Dinge ...

... sind in der Welt - 

altes Holz, um Feuer zu machen,
alter Wein, um ihn am Feuer zu trinken,
alte Bücher, um darin zu lesen
und alte Freunde, um ihnen zu vertrauen.

Alfons von Kastilien


Dienstag, 10. Januar 2012

Lieber Chesterton, ...



... so wie Du bin auch ich überzeugt, dass dieser Gott einmal von allen erkannt und geliebt werden wird. Auch von denen, die ihn heute zurückweisen.  Denn nicht weil sie schlecht sind, weisen sie ihn zurück (sie sind vielleicht besser als wir beide!), sondern weil sie ihn nicht richtig erkannt haben. Auch wenn sie weiterhin nicht an ihn glauben, so sagt er doch zu ihnen: "Ich aber glaube an euch!"
Albino Luciani, Illustrissimi: An G.K. Chesterton

Montag, 9. Januar 2012

Geist und Gehorsam




 Hl. Franz von Sales


Jene, die meinen, einen direkten Draht zum Heiligen Geist zu haben, und die ständig die Freiheit in Anspruch nehmen, vom Wind des Heiligen Geistes getragen zu werden, und der wehe, wo er will, jene seien daran erinnert, was zwei Heilige gesagt haben.  Augustinus: "Es besitzt einer den Geist in dem Maße, wie er die Kirche liebt."  Franz von Sales: "Es sucht einer den Herrn außerhalb des Gehorsams; das ist genau der Augenblick, wo er den Herrn verliert."
Il  Magistero di Albino Luciani

Sonntag, 8. Januar 2012

Ein wahrer Freund, ...

... das ist einer, der mich ganz genau kennt  -  und mich trotzdem mag.
(Quelle unbekannt) 

Samstag, 7. Januar 2012

Tochter der Kirche

Hl. Teresa von Ávila

Im 17. Jahrhundert gab es die Nonnen  von Port-Royal. Eine ihrer Äbtissinnen, Mutter Angélique, hatte gut angefangen und sich selbst und das ganze Kloster "charismatisch" erneuert. Hochbegabt, zum Regieren geboren, wurde sie jedoch die Seele des jansenistischen Widerstandes, der kirchlichen Autorität gegenüber unnachgiebig bis zum letzten. Von ihr und ihren Nonnen sagte man:  "Rein wie die Engel und stolz wie die Teufel."  Wie weit ist das alles von Eurem Geist entfernt!  Welcher Abgrund liegt zwischen diesen Frauen und Euch!  "Tochter der Kirche": Dieser Name war Euch am liebsten. Auf dem Sterbebett habt Ihr ihn geflüstert. Ihr, die Ihr in Eurem Leben so viel für die Kirche und mit der Kirche gearbeitet und manches von der Kirche gelitten habt.-  Wenn Ihr doch ein wenig von Eurer Methode den "Prophetinnen" von heute beibringen könntet!
Albino Luciani, Illustrissimi:  An Teresa von Ávila

 

Freitag, 6. Januar 2012

Epiphania Domini


Romanische Deckenmalerei  aus dem Zyklus "Anbetung der Hll. Drei Könige" (12. Jhd.)
Pfarrkirche St. Martin, Zillis (Graubünden, Schweiz) 

 Et intrantes domum invenerunt puerum cum Maria matre eius, et procidentes  adoraverunt eum. Et apertis thesauris suis obtulerunt ei munera, aurum, thus, et myrrham.


Donnerstag, 5. Januar 2012

Papa Luciani - unvergessen


Die Seele ist keine Zisterne, die aufgefüllt werden will, sondern eine Quelle, die wir zum Sprudeln bringen müssen.
 Albino Luciani, Illustrissimi

Mittwoch, 4. Januar 2012

Nativitas Domini


Na ja, etwas verspätet ... - Aber immerhin befinden wir uns ja noch in der Weihnachtszeit, die nach alter Tradition vierzig Tage dauert, bis zum Fest Mariä Lichtmess, 2. Februar.
Und so lange bleibt auch, nach altem Brauch, mein Weihnachtsbaum stehen. 
Nordmann-Tanne  -  nadelt (fast) nicht!