Dienstag, 24. Dezember 2019

Im Lichte des Kindes


Allen Lesern und Besuchern dieses Blogs
wünsche ich gnadenreiche Weihnachten
und Gottes Segen !

 


Bildquelle:  Altarbild, Stadtkirche St. Nikolaus, Meran, Südtirol  (Beuroner Kunstverlag)

Freitag, 20. Dezember 2019

Mein adventliches Warten auf den Messias (2)

Erster Teil HIER


"Bleib doch daheim", sagte der Vater mehrmals,  "musst doch nicht jeden Tag in die Kirche gehen", und die Mutter sagte: "Wirst dich schon noch erkälten, dann vergeht's dir, das Kirchengehen so früh."  
Ich habe mich, glaube ich, nie erkältet, und das frühe Kirchengehen verging mir nicht.  Es war mir wichtig und teuer.  Wie hätte ich mich auf Weihnachten freuen können, wenn ich nicht zuvor den Advent durchgehalten hätte?  Zuerst das Warten in Kälte und Dunkel, und erst dann Wärme und Licht.  Eins nicht ohne das andre.  

Warten war unerlässlich.  Das Reis aus Davids Stamm wird nicht von selber blühen.  Unsre Erwartung muss es herbeiziehen mit aller Kraft und Sehnsucht.  

Wie habe ich, ein nachdenkliches Kind, eigentlich Advent verstehen können als Zeit der Erwartung auf den Messias Jesus, da ich doch wusste, er war schon gekommen vor zweitausend Jahren?  Natürlich wusste ich, dass "am Ende der Zeiten" dieser Messias wiederkommen würde, aber das lag weit weg, das meinte ich nicht mit Advent-Erwartung. Ich meinte viel näher Liegendes. Mein frühes Aufstehen und Frieren bedeutete für mich die Vorbereitung auf das Kommen des Messias zu mir.
Als ich einige Jahre später bei einem der deutschen Mystiker las, Christus sei nicht geboren, wenn er nicht in unseren Herzen wieder und wieder geboren werde, verstand ich das sofort.
Das war's, was mir der Advent bedeutete.


gefunden in:  Christ in der Gegenwart 51, 48/1999


 

Donnerstag, 19. Dezember 2019

Mein adventliches Warten auf den Messias (1)

Von Luise Rinser


Als ich Kind war, begannen am ersten Adventssonntag die "Engel-Ämter".  Warum sie so hießen und nicht wie anderswo "Rorate-Ämter" (Rorate coeli ...),  das weiß ich nicht,  aber das Wort Engel wob Geheimnis, und mir war die Anwesenheit von Engeln bei diesen frühen Gottesdiensten fühlbar. 

Die Messe begann um sechs.  Um halb sechs weckte mich mein Vater.  Die Mutter schlief weiter.  Vater hatte schon Feuer gemacht im Küchenherd, die Buchenscheite krachten.  Das Waschwasser war eiskalt. Frühstück gab's keines.   Im Backrohr lagen faustgroße Kieselsteine, die wir, wenn sie heiß waren, in unsere Manteltaschen steckten,  daran wärmten wir unsere Finger.

In der großen Kirche (in Übersee am Chiemsee) war's bitter kalt, geheizte Kirchen gab es damals nicht.  Vater, in Halbhandschuhen, spielte die Orgel.  Wir sangen  "Tauet Himmel, den Gerechten, Wolken, regnet ihn herab".  Vor den hohen Spitzbogenfenstern war's Nacht, entweder Schneegewölk oder das Firmament eisklar mit dem blaufunkelnden Hundsstern, dem Winterstern, und wenn wir um halb sieben aus der Kirche kamen, begann die Morgendämmerung, und es war noch kälter als zuvor, und der Schnee knirschte, oder der schneelos gefrorene Boden klang hohl und hart unter unseren Tritten.  

Schweigend zerstreuten sich die frühen Beter, viele von ihnen hatten weite Wege zu den abliegenden Gehöften.

Zweiter Teil folgt




Mittwoch, 4. Dezember 2019

Es ist Advent


 
Es ist Advent.   All unser Antworten bleibt Stückwerk.  Das Erste, was wir annehmen müssen, ist immer diese Wirklichkeit des ständigen Advent.  Tun wir es, so werden wir anfangen zu erkennen, dass die Grenze zwischen "vor Christus" und "nach Christus" nicht äußerlich durch die Geschichtszeit hindurchläuft und nicht auf der Landkarte aufzuzeichnen ist, sie geht hindurch durch unser eigenes Herz.  Soweit wir aus dem Egoismus, aus der Selbstsucht leben, sind wir auch heute "vor Christus".  In dieser adventlichen Zeit aber wollen wir den Herrn bitten,   dass er uns schenken möge, immer weniger "vor" Christus und erst recht nicht "nach" Christus, sondern wahrhaft mit Christus und in Christus zu leben:  mit ihm, der ja ist der Christus gestern, heute und in Ewigkeit  (Hebr 13,8).
Amen.


Aus einer Predigt von  Prof. Dr. Joseph Ratzinger, gehalten im Advent 1964 im Dom zu Münster.

(Neuausgabe:)    Joseph Ratzinger/Benedikt XVI.:  Vom Sinn des Christseins.  Drei Predigten.  
Kösel-Vlg. München  2005