In der Tat, Menschen sind im allgemeinen der Ort, wo der Mensch - ein erstes und dann viele Male - Gott begegnet. Wo anders könnte er der Liebe begegnen! Wer aber die Liebe - und das Erlebnis des Göttlichen - auf "Mitmenschlichkeit" beschränkt, täuscht sich selbst. Unsere naturhafte Selbstsucht weiß sich glänzend zu tarnen und schlüpft mit Vorliebe in das Kleid der Liebe - nicht zuletzt dies meint Christus mit den reißenden "Wölfen in Schafskleidern". Nicht umsonst haben die Heiligen lebenslang einen erbitterten Kampf gegen die getarnte Selbstsucht geführt. Erst "als ihr eigener Wille schwieg", schreibt Reinhold Schneider, "trug sie die Gnade der heiligen Mitte zu; hier aber wurden sie mächtig ergriffen von der Liebe, deren Wesen es ist, zu wirken. Diese Liebe drängte sie zu den Menschen zurück und begnadete sie mit einer neuen überpersönlichen Kraft."
P. Gerhard Hermes SAC
in: Du kommst nach Hause. Erfahrungen einer Pilgerschaft. Stein am Rhein 1988 (Christiania-Vlg.)