Samstag, 12. April 2014

Der Wolf und sein Gewissen


Wie der Wolf sein Gewissen betrog
Eine Fabel aus Russland
 
Unter der Last seiner Sünden gebeugt, kam ein Wolf  zu einem Priester und seufzte:  "Viel Böses habe ich in meinem Leben begangen, hochwürdigster Vater.  Den Bauern stahl ich das fetteste Vieh. Ich will Buße tun. Helft mir und erleichtert mein Gewissen."

"Ei", sprach daraufhin der Priester,  "deine Sünden will ich dir gerne vergeben,  wenn du gelobst, von nun an nie mehr Fleisch zu fressen !"  -  Und das versprach der Übeltäter mit einem feierlichen Schwur.

Dann eilte er,  der Wolf, erleichtert in den Wald zurück.  Als er aber an einen Fluss kam, stand darin ein fettes Schwein und löschte seinen Durst.  Und der Wolf wurde von seiner alten Gier gezwickt,  und er rief mit einer Stimme aus Honig zu dem Schwein hinüber:  "Schönen guten Tag, liebste Frau Karpfen!"  
Diese Anrede nun verwunderte das Schwein arg, und es gab zurück: "Aber, aber, Herr Wolf, ich bin doch kein Karpfen, sondern ein Schwein." -  "Haha",  gab der Wolf lachend zur Antwort, "seit wann lebt denn ein Schwein im Wasser ?  Ihr seid ein Karpfen, verstellt Euch doch nicht!"
Aber das Schwein wollte dies nicht hinnehmen und erwiderte: "Ich wohne aber doch nicht im Fluss  -  ich bin nur hier, um meinen Durst zu löschen."
Da wurde der Wolf zornig,  und er schrie: "Ich werde doch wohl noch Fleisch von Fisch zu unterscheiden wissen !   Fleisch, das hat mir der Pope gesagt,  darf ich von nun an nicht mehr essen.  Fisch aber ist mir erlaubt.  Versucht Euch nun bloß nicht herauszureden !  Ihr seid ein Fisch, was immer Ihr auch sagen mögt."

Dann stieg er in den Fluss, der Wolf, zerriss das Schwein und verzehrte es mit dem Behagen, das ein gutes Gewissen macht.

   Fundstelle: DIE RHEINPFALZ (Kathrin Martin/LA)




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