Samstag, 25. Januar 2020

Unglaube

Der Ungläubige kennt nicht den wirklichen Grund seines Unglaubens. Er kann also auch nicht sagen, unter welchen Umständen er glauben würde  -  zum Beispiel wenn er Tote auferstehen sähe oder wenn der Papst andere Bischöfe ernennen würde, wenn die Kirche aufhören würde zu behaupten, die Unfruchtbarmachung des Beischlafs sei gegen Gottes Gebot, wenn sie das Kirchensteuersystem ändern oder für den Sozialismus oder den Liberalismus optieren würde, wenn Frauen zu Priestern geweiht würden oder wenn der Pfarrer ein bißchen imponierender wäre.  Wenn diese Bedingungen erfüllt wären, hätte der Unglaube sofort neue bereit.  Glauben heißt nämlich:  Fallenlassen der Bedingungen.  Der Glaube ist ein rationaler, aber bedingungsloser Gehorsam, ein rationale obsequium.
 Robert Spaemann

in einem Interview zum Thema "Glaubensabfall in Europa", 1992 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen