(Achtung - nicht so ganz ernst gemeint!;-)
Wie ich da letztens auf der Suche nach weißnichtmehrwas im Neuen Testament blättere, traue ich meinen Augen nicht: Matthäus Kapitel 6, Jesus lehrt seine Jünger das Vaterunser beten, Vers 13: "... sondern erlöse uns von dem Übel. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen."
Jetzt wird beim kundigen Leser der Groschen schon gefallen sein: So steht das doch im Leben nicht bei Matthäus?! - Korrekt! - Und jetzt kommt der Hammer: Es handelt sich um das Novum Testamentum Graece et Germanice, ed. Nestle/Aland, 18. Auflage 1973, erschienen bei der Württembergischen Bibelanstalt Stuttgart, also um die wissenschaftliche Standard-Edition des NT, mit textkritischem Apparat, wissenschaftlicher Einleitung und allem drum und dran - und: mit Luther-Übersetzung in Parallel-Druck, genehmigt 1912 vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss! (Die Version Graece-Latine, mit Vulgata-Text, gibt's auch noch).
Zeitsprung rückwärts: Als Bub von zehn, zwölf Jahren spiele ich bei meinen Großeltern im Hof (merkwürdig, was einem so alles in der Erinnerung hängen bleibt!), irgendwann in den Sechzigern. Durch das offene Küchenfenster höre ich Mama, Oma und Tante angeregt debattieren. Thema: Das "neue" Vaterunser. Die Liturgiereform ist ja soeben in vollem Gang. Sie befiehlt uns, das Paternoster gemeinsam, laut und auf deutsch zu beten. Und mit kleineren sprachlichen Veränderungen und mit ebendiesem Anhängsel: "Denn dein ist das Reich ...". Und Oma, Tante und Mama haben voll den Durchblick: Das kommt von den Protestanten, die beten das schon immer so!
Ein Zugeständnis also an die sogenannte Ökumene.
Bis heute habe ich mich damit nicht anfreunden können. Erst das demütige, kindlich-reine Betteln beim Abba-Vater um das tägliche Brot, um Vergebung und Erlösung, dann dieses bombastische Gedröhne: Reich! - Kraft!! - Herrlichkeit!!!- Hitler hat das mal in einer Rede imitiert, tatsächlich, ich kann das nachweisen! Natürlich hat er sein Dutzendjähriges Reich gemeint.
Na ja, man ist ja ökumenisch großzügig. Und überhaupt, de gustibus non est disputandum.
Aber dass die Protestanten uns da ein lutherisches Gebetbuch als wissenschaftliche Textedition unterjubeln wollen, das nimmt ihnen nicht nur mein katholisches, sondern auch mein philologisches Ehrgefühl schon ein bissel übel.
Von wegen Sola Scriptura! Etikettenschwindel!
Und sowas versteckt sich seit dreißig Jahren unbemerkt in meinem Bücherschrank!
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