Donnerstag, 16. August 2012

Trost der Kunst

Zwei Anlässe zum Gedenken habe ich vor einer Woche, am neunten August, genannt. Ein dritter bleibt nachzutragen: 
Der fünfzigste Todestag von Hermann Hesse.

Hesse (frühere Beiträge hier) war sicherlich ein schwieriger Mensch, der auf der Suche nach sich selbst lange Zeit vor sich selbst davongelaufen ist. Darüber hat er sich einmal auf einer Reise, in einem umbrischen Bergstädtchen, Rechenschaft gegeben*:
Wozu das?  Warum blieb ich nicht daheim bei Arbeit und Familie? Weil ich ausruhen wollte. Aber ruht man denn auf Reisen aus? Nein. Das hatte ich vorher gewusst, also war ich nicht des Ausruhens wegen gereist.
Aber vielleicht um der Kunst willen?  Das kam wohl der Wahrheit näher. ...
Langsam versuchte ich, es mir zurechtzulegen. Ich dachte an San Miniato, an die Kuppel und den Turm des Florentiner Domes und an das, was mich zu jenen Werken zurückgezogen hatte. Warum hatten sie mich beglückt? -  Weil ich bei ihrem Anblick gefühlt hatte, dass Arbeit und Hingabe eines Menschen nicht wertlos sind, dass über der bedrückenden Einsamkeit, in der jeder Mensch sein Leben hinlebt, etwas allen Gemeinsames, etwas Begehrenswertes und Köstliches vorhanden ist; dass zu allen Zeiten Hunderte einsam gelitten und gearbeitet haben, um das Sichtbarwerden dieses tröstlichen Gemeinsamen zu fördern. Wenn das, was die Künstler und ihre Gehilfen mit Hingabe und Ausdauer vor einigen hundert Jahren zustande gebracht haben, heute wie damals Tausenden gute Gedanken gibt, so ist es auch für uns alle nicht trostlos, in unserer Einsamkeit und Schwäche zu arbeiten und das Mögliche zu tun.
Diesen Trost hatte ich gesucht, nichts weiter. ...
Dass nicht jeder von uns ein großer Auserwählter ist, hat damit nichts zu tun. Auch wir Kleinen, seien wir Künstler oder nicht, freuen uns an jedem Sieg des Ewigen über das Zufällige und bedürfen jenes Trostes, um den Kampf mit dem Misstrauen gegen den Wert alles Menschlichen immer wieder aufzunehmen.

Hesse mit dem Priester von Montefalco (1906)



*Text- und Bidquelle:  Hermann Hesse: Italien.  Hrsg. Volker Michels. Frankfurt/M.  1983

3 Kommentare:

  1. Lieber Ernst,

    danke; das ist die Erklärung die man denjenigen zitieren kann, die immer über die Kirche schimpfen, weil sie den Menschen "Geld aus der Tasche zog um riesige Bauten zu erstellen". Ich sage dann immer: Die Leute damals wollten etwas Schönes haben, an dem sie sich erfreuen konnten, und die Arbeit dafür haben sie gerne geleistet, das Gold dafür wahrscheinlich gern gesammelt. Aber diese Worte von Hesse drücken es noch besser aus!

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    1. Da hast Du ganz recht! So habe ich das noch gar nicht gesehen! Richtig, was Hesse da sagt, hat eine enorme religiöse Dimension! Und was heute ganz verloren geht, ist die Unfähigkeit zur Transzendenz und damit auch zur Überwindung der Vereinsamung der einzelnen Person. Danke!

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    2. Quatsch - natürlich die "Fähigkeit zur Tranzendenz" ...:-)

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