Donnerstag, 22. Dezember 2016

Der gestohlene Pfarrer (3)

Erster Teil HIER   -   Zweiter Teil HIER

Nach einer Weile wurde ihm von einem der Kerle Antwort, indes der andere ausstieg und zwei neue Gäule anschirrte, die dort wie auf geheimen Befehl bereitstanden.  Den Priester, schon über seinen Alltag hinausgehoben, wunderte es nicht mehr sonderlich, es setzte ihn auch nicht in Erstaunen, dass ihm ein warmer Trunk von unbekannter Hand gereicht wurde.  Überhaupt fühlte er sich mit soviel Sorglichkeit, beinahe mit Liebe umgeben, wie es die Umstände nur eben möglich sein ließen.  Und wie er jetzt im kargen Schein einer Laterne noch einmal die Augen seiner Entführer sah, mochte ihm scheinen, als decke ihre Wildheit ein Maß kindlicher Güte zu, die wiederum im Gegensatz zu aller Rauheit stand, die sie noch immer umgab. 

Als der Schlitten schon wieder entglitt, fragte er abermals: "Wenn's mir die Herren zu wissen täten, wie der Ort heißt, in dem jene Kranke wohnt, die uns durch Nacht und Schnee, durch Einsamkeit und Wildnis ruft, so wollte ich Ihnen danken."
"Maria Höh, Ehrwürden, wenn Ihr die kennt!"
Der Name war ihm wohl schon einmal ans Ohr geklungen.  War das nicht das verlorene Dorf im Walde oben, wo die Berge am höchsten, der Schnee am tiefsten zur Winterszeit lag, sommers aber Salbei, wilde Akelei und Liebfrauenschuh am lieblichsten duften sollten?  Und war das Kirchlein oben am Rande des Himmels nicht einmal eine Wallerstätte gewesen in alter Zeit, zu der sie sich aus den Tälern hinaufgesungen hatten?  So holte es der Priester Johannes Beiderlinden aus seiner Erinnerung.

Es kam nun wieder etwas wie ein Frösteln über ihn in seinen warmen Tüchern, dass man ihn dort hinauftragen wollte in dieser gleitenden Bauernstube, die trotz des hohen Schnees von einem Loch in das andere glitt.  O ja, nun dachte er mit Sehnsucht der warmen Stube in der Propstei.  Er dachte auch daran, dass nun Herr Andreä Gregorius Zimbel, Geigen und Karinetten stimmen ließ für sein Kindelwiegen und alle die andern neuen Lieder, die durch das hohe, helle Haus Gottes in der Stadt zu Ehren des Kindes jubilieren sollten ...

Oh, er hatte viel zu denken, dies und anderes;  denn nun nahm sie der Wald auf, tiefer, schweigender, weißer Wald.  Es ging die Berge steil empor, die Gäule warfen dicke Flocken Schweiß aus und gingen, als zögen sie den Pflug durch schweres Ackerland.  Die schmale Schneise, die sich durch hohe Tannen brach, ließ nur einen Spalt des Himmels sehen.  Der war mit funkelnden Sternen besät und erstrahlte in so wundervoller Pracht, wie der Priester, der lange Jahre der Stadt verhaftet gewesen war, es kaum je gesehen zu haben vermeinte ...
Nur in seiner Kindheit als Bauernbub.  Daran sann er zurück.  Wie nun der Mond seinen Schein in das Flimmern der Gestirne gab, wurde ihm das Gesicht der Männer noch einmal deutlich.  War nicht der eine, der ihm soviel der rauhen Behutsamkeit erwies, nach Art und Bart dem heiligen Sucher dieser Nacht gleich, Sankt Joseph?  So in das Kleid der Armut war wohl auch der Zimmermann aus Nazareth gehüllt.  Und wie nun der Priester diesem Bilde mit der Seele nachschaute und sich dem Geheimnis dieser Nacht hingab, schämte er sich fast seines Gewandes unter der Verhüllung und seiner Sehnsucht, dem Mysterium der Armut, in das sich die Liebe Gottes verbarg, mit Glanz, rauschender Musik und festlichen Menschen in seiner prächtigen Kirche daheim beiwohnen zu wollen.  Hier in der Einsamkeit, die herausgehoben schien aus dieser Welt, kam eine große, fast feierliche Stille zu ihm und in ihn hinein.

Fortsetzung folgt!




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