Von den - kürzlich vorgestellten - Maulbronner Impressionen habe ich mich dazu anregen lassen, mich einmal wieder in Hermann Hesses autobiographisch geprägte Erzählung Unterm Rad zu vertiefen, die vor ziemlich genau 108 Jahren entstanden ist.
Darin setzt der Autor nicht nur dem Maulbronner protestantisch-theologischen Seminar ein Denkmal, sondern auch - ohne es namentlich zu nennen - seinem Heimatstädtchen Calw im Nagold-Tal, am Rand des Schwarzwaldes, das mir selber vor fast vierzig Jahren, während des Wehrdienstes, lieb und vertraut geworden ist.
In der Erzählung hat die Hauptfigur, der junge Hans Giebenrath, sich soeben mit dem württembergischen "Landexamen" für die Aufnahme in Maulbronn qualifiziert, als sein Stadtpfarrer in Calw ihn in seiner "Studierstube" empfängt, um ihn auf das Theologiestudium vorzubereiten. Und dieser Pfarrer ist ein, wie es damals hieß, "neumodischer" Theologe.
Man bekam den Eindruck, dass hier viel gearbeitet werde. Und es wurde hier auch viel gearbeitet, freilich weniger an Predigten, Katechesen und Bibelstunden als an Untersuchungen und Artikeln für gelehrte Journale und an Vorstudien zu eigenen Büchern. Die träumerische Mystik und ahnungsvolle Grübelei war von diesem Ort verbannt, verbannt war auch die naive Herzenstheologie, welche über die Schlünde der Wissenschaft hinweg sich der dürstenden Volksseele in Liebe und Mitleid entgegenneigt. Statt dessen wurde hier mit Eifer Bibelkritik getrieben und nach dem "historischen Christus" gefahndet.
Es ist eben in der Theologie nicht anders als anderwärts. Es gibt eine Theologie, die ist Kunst, und eine andere, die ist Wissenschaft oder bestrebt sich wenigstens, es zu sein. Das war vor alters so wie heute, und immer haben die Wissenschaftlichen über den neuen Schläuchen den alten Wein versäumt, indes die Künstler, sorglos bei manchem äußerlichen Irrtum verharrend, Tröster und Freudebringer für viele gewesen sind. Es ist der alte, ungleiche Kampf zwischen Kritik und Schöpfung, Wissenschaft und Kunst, wobei jene immer recht hat, ohne dass jemand damit gedient wäre, diese aber immer wieder den Samen des Glaubens, der Liebe, des Trostes und der Schönheit und Ewigkeitsahnung hinauswirft und immer wieder guten Boden findet. Denn das Leben ist stärker als der Tod, und der Glaube ist mächtiger als der Zweifel.Das war vor alters so wie heute ... - und an dieser Stelle überlasse ich es den geneigten Lesern, insbesondere den Theologen unter ihnen, den Faden weiterzuspinnen ...
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