Freitag, 23. Dezember 2016

Der gestohlene Pfarrer (4)

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Eine Schneewehe versperrte ihnen den Weg.  Es war nötig, dass die beiden Männer austiegen, um mit ihren Schaufeln die hohe Welle abzutragen.  Ehrwürden Johannes folgte ihnen in den Holzschuhen, die es ihm möglich machten, Fuß zu fassen.  Es fand sich noch ein drittes Gerät.  Er griff zu und half bei dem schweren Werk.

Als sie nach einer Stunde wieder saßen, war schon soviel Vertraulichkeit unter ihnen aufgekommen, dass der Priester lächelnd sagen konnte: "Mit Verlaub, ihr Herren, eure arme Kranke dauert mich ob so vielen Wartens.  Gebe Gott, dass sie unsere Ankunft noch erlebe."

"Sorgt Euch nicht, Ehrwürden", war die mit gleichem Lächeln aus den Bärten gegebene Antwort.  "Vor Mitternacht erwartet Euch die Kranke nicht  -  das Kirchlein Maria Höh und die Gemeinde gleichen Namens!  Und bis dahin hat es noch zwei Stunden Weile. ...  In einer aber, Ehrwürden, werden sie sich in den Huden unten und auf den Einhöfen oben bereit und auf den Weg machen, und in anderthalb Stunden alle aus dem Dorf  -  für das Uchtamt um Mitternacht, das Ihr uns feiert, Ehrwürden!  Zum erstenmal wieder nach sieben Jahren sieht die arme Kranke wieder einen Pfarrer bei sich.  Verzeiht es uns, dass wir Euch aus der Wärme stahlen, wir bitten Euch bei der Liebe des Kindes im kalten Stall, vergebt es uns, den Köhlern vom kalten Berg. ...
Wir raubten Euch für die Mutter Maria Höh und für ihre großen und kleinen Kinder, für die Köhler und Holzer, für die Bauern und Knechte in den Tälern um unseren Berg und für die Hirten in den Huden  -  vor allem aber für die Kinder, die nicht wissen, was sich begibt, wenn ein Priester Gottes an den Altar tritt.  Zürnet uns also nicht länger, dass wir zwei neben Euch, Köhler wie die meisten, des lieben Gottes Räuber wurden."
So sagten sie es ihrem Gast, der sie schweigend anhörte.  Und als er endlich Worte fand, da vernahmen die beiden sein Vergeben aus ihnen und eine zitternde Freude.
"Ihr armen Kinder", sagte er, "so fahrt nun zu."

Sie saßen nun wieder stumm da.  Die Männer hatten noch manches sagen wollen vom Kirchlein oben:  dass da vor Jahr und Tag noch Füchse und Wölfe in seinem Inneren gehaust, nachdem plündernde Haufen seine Schätze geraubt, dass der Schutt bis zu den Fenstern gelegen habe und wie sie es in großer Mühe, aber größerer Liebe wieder hergerichtet.  Aber dass sie nach einem Pfarrer gesucht hätten, das erfuhr Herr Johannes doch, und dass sich keiner fand, solcher Armut oben zu dienen   -  nicht einmal für eine Stunde dieser hochheiligen Nacht, weil es doch an ihnen gebreche überall im Lande und der leeren Kirchen mehr wären, als man wohl an einem Tage zählen könne.  Und darum eben ...
Sie maßen ihn noch einmal scheu.  Er aber lachte nun hell:
"Und darum machtet ihr selbst den Bischof und schicktet einen nach oben."
"Wohl, Ehrwürden Herr Pfarrer, nicht anders ..." 

Sie glitten nun einen ebenen Weg hin.  Die Wälder blieben ein wenig zurück, aber sie füllten das weite Rund in unendlichen Wogen aus   -   ein Meer mit erstarrten weißen Kämmen.  Schmale Senken lagen tief darin eingebettet, das mochten die Wiesen und Äcker sein, die dem Völkchen hier oben Nahrung brachten.  Und da kam ihnen aus der Ferne ein dünnes Scheppern entgegen, nicht unähnlich dem Wetzen einer Sense am Sommertag.
Die beiden Männer rissen die Lammfellmützen von den struppigen Köpfen, bekreuzten sich und sagten in großer Freude:
"Ehrwürden Herr Pfarrer, Maria Höh läutet zum Uchtamt!"

Fünfter und letzter Teil folgt! 


1 Kommentar:

  1. Vergelt's Gott! Heute werden die guten Priester auch gestohlen ... leider ihrem (Kirchen-) Volk und ohne jeden guten Willen ...

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