Montag, 8. Oktober 2012

Liturgie als Inkarnation

Die Sakramente der Kirche sind fortgesetzte Akte der Menschwerdung, der Unterordnung Gottes in die reiche Formenwelt seiner eigenen Geschöpfe.  Gott wurde Mensch nicht nur mit Herz und Seele, sondern auch mit Fingernägeln und Barthaaren.  So komplex, so staunenswert wie dies gottmenschliche Wesen will zeichenhaft auch die Liturgie sein, die dies Geheimnis darstellt.  Und so wie die Sünderin die Füße dieses Gottmenschen wusch und der Apostel Thomas seine Wunden betastete, so fragt der religiöse Mensch bei der Betrachtung des Leibes der Liturgie nicht danach, ob er alles richtig versteht, ob er gar mit Unnötigem, Veränderbarem, Verzichtbarem konfrontiert wird, sondern er möchte diesen Leib auch in seinen geringen und marginalen Teilen verehren und lieben.

Martin Mosebach,  Häresie der Formlosigkeit



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