"Der Pater!"
Pater Donatello schloss die Tür hinter sich und lehnte sich gegen sie. Seine zusammengefallenen Schultern sprachen aus, was sie schon wussten. Der Blick, den er Schwester Magdalena zuwarf, war wie der Blick eines kleinen beschämten Buben. Er schien sich in den Kragen seines viel zu weiten Rockes verkriechen zu wollen. "Ich musste zu Fuß heimkehren", sagte er, "während ich im Dorf bettelte, hatte ich das Pferd angebunden. Jemand hat es mitgenommen."
Ach du Argloser; du wirst es niemals lernen, dachte Schwester Magdalena. Laut sagte sie: "Es macht nichts, Pater."
Der junge Priester, dessen Brust noch von der Überanstrengung keuchte, wandte den Kopf nach rechts und nach links. Seine großen braunen Augen schauten fragend auf Schwester Angelas Hand, die noch über dem Korbe schwebte. "Was macht ihr?"
"Wir losen um die letzte Kartoffel", antwortete Schwester Magdalena munter. "Machen Sie weiter, Schwester Angela!" Mit einem verzweifelten Blick auf den Pater tauchte Schwester Angela ihre Hand in den Korb und zog sie wieder heraus. Die beiden Hauben beugten sich über den Zettel. Die Schatten an der Wand warteten still und reglos.
Schwester Magdalena ging um den Tisch, hob mit zierlichen Fingern die Kartoffel auf und trat auf die Wartenden zu. Am Kopf der Reihe, vor dem hochgeschossenen jungen Mann mit dem leeren Ärmel blieb sie stehen. "Fröhliche Weihnachten, Giuseppe", und reichte ihm die Kartoffel.
Er streckte die Hand aus und nahm die Kartoffel, und einen Augenblick lang war in seinen Augen ein Funkeln, das sie an den Knaben erinnerte, der fröhlich auf der Orgel gespielt hatte. Neben ihm stand Lucia, das junge Mädchen, das Schwester Magdalena bei sich immer "Kleine Blume" nannte, weil sie fast wie die kleine heilige Therese aussah.
"Fröhliche Weihnachten, Lucia", sagte Giuseppe und drückte, über den leeren Ärmel hinwegreichend, ihr die Kartoffel in die Hand. Und die "Kleine Blume" schaute zu ihm auf, wie zu allen Zeiten die Frauen zu den Männern aufschauen, die sie beschützen. Sie hielt das Geschenk dicht an die Brust gedrückt, ihre Augen in Giuseppes Augen. Dann ging ein Erröten über ihr Gesicht, sie senkte den Blick und gab die Kartoffel dem alten Mann.
"Fröhliche Weihnachten", sagte sie leise. Großvater Piazzas höfliche Verbeugung wurde von einem sehr wenig würdevollen Hustenanfall unterbrochen. Als der Anfall vorüber war, wischte er mit dem Rockärmel über den Mund und sah die Kartoffel an, die er auf der Handfläche vor sich trug. Er schaute auf Schwester Magdalena, aber die blickte interessiert auf die Wand über ihm. Er rieb die Kartoffel an seiner Hemdbrust, als ob er sie blank reiben wollte, und reichte sie der jungen Mutter, die ihr Kind stillte. "Fröhliche Weihnachten, Lisa", sagte er.
Die Frau schaute die Kartoffel nicht an. Den Kopf erhoben, reichte sie sie dem Manne, der gesagt hatte, dass an Weihnachten alles schwieriger sei. Ihr "Fröhliche Weihnachten" war wie ein Hauch.
Rosa Armandi war die letzte, und sie nahmen das als ein Zeichen. Alle beugten sich vor und sagten: "Es sollte so sein, dass du sie bekommst, Rosa - für den ungeborenen Bambino."
Rosa Armandi starrte die Kartoffel lange an, während sie sie vor sich hinhielt, als ob sie lebendig wäre. Ihre Augen wanderten über die Reihe der ihr zugewandten Köpfe, zu Schwester Magdalena, über Schwester Magdalena hinweg. Dann ging sie zu der Statue des Guten Hirten und legte ihm die Kartoffel zu Füßen nieder.
Schwester Magdalena versuchte, nicht an die Suppe zu denken, die sie aus der Kartoffel für den Pater hätte machen können. Wie zu Schulkindern, die man zur Ordnung ermahnt, sagte sie: "Wir wollen singen." Ihr nicht ganz tonreiner Sopran stimmte das "Adeste fideles" an. Und alle Stimmen wurden laut und kräftig beim "Venite, venite in Bethlehem". Pater Donatellos prächtiger Bariton übertönte sie alle, als es zum "Dominum" kam.
Sie fingen von neuem an, ihre Körper bewegten sich hin und her, der Pater streckte sich auf die Zehen, die Kinder auf ihren Storchenbeinchen lärmten schrill und lustig. Giuseppe und die "Kleine Blume" sagten einander zärtliche Worte mit den Augen.
In dem Augenblick, als sie eine Pause machten, schlug jemand an die Tür und riss sie auf. Vielleicht wären die meisten von ihnen nicht überrascht gewesen, wenn ein Engel mit gefalteten Flügeln hereingekommen wäre. Sicherlich wäre Schwester Angela auf ihn losgeschossen, um ihn würdig zu begrüßen.
Da stand er auf der Schwelle - eine bärtige Vogelscheuche von einem Manne in schmutzigen, ausgebeulten Hosen, und winkte dem Pater mit dem Finger. Pater Donatello ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
(Fortsetzung folgt)
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