Montag, 9. April 2012

Heimkehr nach Jerusalem


"Christus in Emmaus" von Rembrandt (1648)

So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren.
Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten:  Bleib doch bei uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt.  Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.  Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.  Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie ihn nicht mehr. 
Und sie sagten zueinander:  Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?  Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt.  Diese sagten:  Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen.  Da erzählten auch sie, was sie unterwegs erlebt und wie sie ihn erkannt hatten, als er das Brot brach.
  Lukas  24, 28-35


Die Erzählung von den Emmaus-Jüngern scheint wie eine bildliche Darstellung des Wortes von Thomas von Aquin, die Eucharistie sei "Wegzehrung zur Herrlichkeit". Dieser Bericht lässt endgültig deutlich werden, dass Heilung im biblischen Sinn etwas wesenhaft anderes bedeutet als die Behebung von Symptomen. Von Heilung kann nur so lange nicht die Rede sein, wie wir nicht erfahren haben, was Begegnung mit dem Heil bedeutet: was es bedeutet, "nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht zu sein, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes" (Phil 2,19).  Die ganze Heilung des ganzen Menschen kann erst dann Wirklichkeit werden, wenn wir uns ganz eingliedern lassen in die Gemeinschaft der Heiligen und zu Gliedern des Leibes Christi werden.
Das Brot gebrochen hatte Jesus den Jüngern schon einmal. Diese Geste war ihnen vertraut. Daran erkannten sie ihn. Aber zwischen den beiden Begegnungen lag eine Ewigkeit. Dazwischen lagen Tod und Auferstehung. Sie waren jetzt nicht mehr allein. Genau darin bestand ihre Heilung: Sie gehörten jetzt zu ihm. Endgültig - sie waren Glieder seines Leibes geworden, der Kirche.
"Dann sahen sie ihn nicht mehr."  Aber sie wussten, dass er da ist. Er war wahrhaftig von den Toten auferstanden!  Und er hatte Tote auferstehen lassen!  Auch sie waren Auferstandene. Sie waren gestorben vor Angst. Aber jetzt lebten sie wieder. Er hatte ihre Angst auf sich genommen. An seinen Händen und Füßen trug er noch die Wunden: ihre Wunden trug er jetzt. Durch seine Wunden waren sie geheilt.
"Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem zurück."  Die Stadt ihres Versagens wurde zur Stadt ihres Triumphes mit ihm. Die Mauern leuchteten, wie nur Jerusalem leuchten kann!  Die Stadt brannte, weil ihre Herzen brannten.
"Er ist wahrhaftig auferstanden."  Das war das einzige, was es mitzuteilen gab. Es war die einzige Wirklichkeit, die zählte. Durch sie war alles heil geworden. Mit ihr begann eine neue Schöpfung. Sie ließ einen neuen Himmel und eine neue Erde erahnen: eine neues Jerusalem, das schon ganz erfüllt war von der Wirklichkeit des Lammes.

Michael Marsch:  Heilen.  Biblische Grundlagen des Heilungsauftrags der Kirche.  Heiligkreuztal 1987

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