Samstag, 10. März 2012

Gottes Schönheit

Eine Anekdote aus dem alten Preußen:

An der Tafelrunde König Friedrich Wilhelms I., die unter dem Namen "Tabakskollegium"  berühmt geworden ist, musste einmal der Propst  Dr. Johann Gustav Reinbeck teilnehmen. Er war bemüht, wenig aufzufallen und die Würde seines geistlichen Standes zu wahren. Aber es blieb ihm nicht erspart, dass der zu derben Scherzen aufgelegte König schließlich auch ihn zum Opfer erkor.
"Jetzt ist Er dran", sagte Friedrich Wilhelm. "Mach Er mal sofort aus dem Stegreif  ein Gedicht auf ein schönes Mädchen!"
"Hoho!" dröhnte die Tafelrunde schadenfroh.
Der Propst bedachte sich einen Augenblick, lächelte und sagte in die gespannte Stille hinein:
"Wenn mir ein schönes Kind begegnet,
das Gott mit Anmut hat gesegnet,
so fallen mir Gedanken ein ..."

"Hoho!" lachte der König. "Was für Gedanken hat Er denn da, Er Schwerenöter?"
Der Propst fuhr fort:
"Der Gott, der so viel schöne Sachen
aus einem Nichts hat können machen  -
wie schön muss dieser Gott wohl sein!"

Er setzte sich, inmitten einer plötzlichen Stille, und hob lächelnd sein Glas den Humpen entgegen, die ihm die andern beschämt und mit schweigender Hochachtung hinhielten.


Das Tabakskollegium Friedrich Wilhelms I.


Text: Gisbert Kranz, Schmunzelkatechismus. Donauwörth 2000
Bild: Link

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