Montag, 5. März 2012

Xenophilie

Zwei Studien wurden da in jüngster Vergangenheit publiziert, die erst in der Zusammenschau ihre volle Aussagekraft entfalten.
Da hat zum einen Prof. Dr. Schmidt-Denter von der Universität Köln zehn Jahre lang die Einstellung der Deutschen zu ihren immigrierten Mitbürgern untersucht, und zwar im Vergleich mit zehn europäischen Nachbarländern.  Ergebnis, veröffentlicht im vergangenen Dezember:

... Deutsche Jugendliche und ihre Eltern nehmen hinsichtlich der Ausprägung von Fremdenfeindlichkeit (Xenophobie) und Antisemitismus innerhalb des europäischen Rankings einen unauffälligen, mittleren Platz ein. Andererseits sind die Deutschen aber auch ausgesprochen fremdenfreundlich. Nach Werten für Fremdenfreundlichkeit (Xenophilie) befragt, belegen die Deutschen europaweit einen unangefochtenen Spitzenplatz. Nirgendwo sonst finden fremdenfreundliche Statements so viel Zustimmung wie in Deutschland. Gleichzeitig sind die Deutschen aber sehr selbstkritisch. Die negative Haltung sich selbst gegenüber lässt sich nach den empirischen Kriterien der Studie sogar als "typisch deutsch" bezeichnen. Beispielsweise wird der Aussage "Ausländer haben viele positive Eigenschaften, die uns Deutschen fehlen" sehr viel häufiger zugestimmt als bei den europäischen Nachbarn.
Überraschen kann das alles eigentlich nicht. Und nun zu den Folgerungen:
Angesichts der Straftaten mit fremdenfeindlichem Hintergrund wird in den Medien häufig die Frage nach der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, der "Erinnerungskultur" oder der "Vergangenheitsbewältigung" gestellt. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine Schuld- und Schamgefühle induzierende Erziehung und eine Dekonstruktion sozialer und nationaler Bindungen sich nicht nur auf die Deutschen ungünstig auswirken. Das ständige Kultivieren negativer deutscher Selbstbeschreibungen wirkt auch auf integrationswillige Zuwanderer verstörend.  ...   (Hervorhebungen von mir. Sev.)

Letzte Woche hat nun, zum andern, Bundesinnenminister Friedrich eine Studie vorgestellt, die Clemens Mann in der Tagespost (3.3.12) unter der Überschrift "Die Zahlen sind alarmierend" kommentiert.  Diese ...
... sorgt für kollektive Entrüstung bei Vertretern von Muslimen, Politikern der Koalition und Opposition. 
Anstatt aber nüchtern der Wahrheit ins Auge zu blicken, - nämlich dass etwa jeder fünfte in Deutschland lebende Muslim im Alter von 14 bis 32 Jahren sich nicht integrieren will oder 15 Prozent der deutschen Muslime beziehungsweise 24 Prozent der Muslime ohne deutschen Pass als "streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz"  bezeichnet werden -  wirft man Friedrich vor, die Gesellschaft mit populistischen Aussagen spalten zu wollen. Überhaupt sei die Studie wenig aussagekräftig und der Zeitpunkt der Veröffentlichung politisch motiviert, monieren die Kritiker. 
Nun trifft das nicht zu. Die Studie liefert hilfreiche Handlungsanweisungen, um die Integration von Muslimen in die Gesellschaft zu fördern. Und wann, so mag an sich fragen, ist überhaupt ein günstiger Zeitpunkt, um zu sagen, dass die deutsche Integrationspolitik große Defizite hat. ...
So ist es (siehe oben)!  Doch wer ideologische Scheuklappen vor den Augen hat, kann ja nicht anders, als Hinweise auf die Realität als lästig zu empfinden. Man fühlt sich an die finsteren Zeiten erinnert, in denen allmächtige, realitätsblinde Despoten die Überbringer schlechter Nachrichten, um ihren Frust abzureagieren, kurzerhand hinrichten ließen. Wer "die Gesellschaft spaltet", ist in dieser Sichtweise nicht etwa die illusionäre links-rot-grüne Multikulti-Politik der letzten Jahrzehnte, das Kopf-in-den-Sand-stecken, die politisch-korrekte Augenwischerei, sondern derjenige, der das Scheitern dieser Politik aufzeigt. Ein Synonym für diese Sichtweise ist:  Xenophilie.
Denn es bleibt der nackte Befund. Und der ist alarmierend. Die Gefahr, dass es zur Ausbildung muslimischer Parallelgesellschaften ... (kommen könnte), ist klar benannt. Die Auswirkungen dieser Integrationsverweigerung werden sich erst in den nächsten Jahren deutlich zeigen.
Gerade weil die Integration in der Studie als wechselseitiger Prozess zwischen Mehrheitsgesellschaft und Zuwanderern begriffen werden muss, ist der Ruf der Kritiker nach dem Staat, gegen die Diskriminierung von Muslimen einzuschreiten, zwar nicht falsch, greift aber letztlich zu kurz. Der Wille, sich einzugliedern, ist eine Voraussetzung zur erfolgreichen Integration.
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Zum Schluss noch die gute Nachricht:  Wer zu der Ansicht neigt, der Islam gehöre zu Deutschland, der kann sich jetzt nicht mehr auf den Bundespräsidenten berufen.


 
  

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