Samstag, 28. Januar 2012

Jeder nach seiner Fasson

Die Religionen Müsen alle Tolleriret werden und Mus der Fiscal nuhr das Auge darauf haben, das keine der andern abrug Tuhe, den hier mus ein jeder nach seiner Fasson Selich werden.
Zitiert nach : Büchmann, Geflügelte Worte

Dieser Marginalie von König Friedrich II. auf  einem schriftlichen Bericht seines Staatsministers verdanken wir das berühmt gewordene Zitat.  Wohl kaum ein Festredner oder Feuilletonist (dieses Blog eingeschlossen) hat es  zum dreihundertsten Geburtstag des Preußenkönigs am vergangenen Dienstag versäumt, dessen, aus moderner Sicht, hervorragendste Errungenschaft  rühmend hervorzuheben: die Toleranz als Staatsprinzip  -  so lautete auch der Titel eines Beitrags von Frank-Lothar Kroll im Feuilleton der Tagespost.
Nun hat auf diesen Artikel Dr. Gotthard Klein aus Berlin mit einem Leserbrief reagiert, der durchaus Beachtung verdient,  da er erstens mit der vielgerühmten friderizianischen Toleranz ziemlich ernüchternd abrechnet und zweitens offenbar auf solidem Quellenstudium beruht.
Wie sah denn die praktische Seite  des schönen Scheins aufgeklärter Toleranz aus?  ... Kann man im Ernst behaupten, dass sich die katholischen Zeitgenossen generell großzügiger Freiheiten erfreut hätten? ...
Unstrittig ist ... der Quellenbefund: Überliefert sind zahlreiche antikatholische Stereotypen: "Mummenschanz" nannte Friedrich das heilige Messopfer, den Papst titulierte er "altes Götzenbild", Katholiken galten ihm nur "als halbe Menschen", der Dominikaner Raymundus Bruns (1706-1780) wurde vollkommen willkürlich monatelang eingekerkert. Soll man das alles nur als geistreiche Grobheiten eines zynischen Agnostikers ... einfach abtun?  Jedenfalls hatten sie für den Priester Andreas Faulhaber (1713-1757) tödliche Folgen. Aufgrund der Aussagen von zwei bei Prag desertierten Söldnern wurde er auf ausdrücklichen Befehl Friedrichs II. am 30. Dezember 1757 ohne jeglichen geistlichen Beistand in Glatz gehenkt. Dazu genügte die "unbeweisbare Behauptung" (N. Conrads), Faulhaber habe in der Beichte von der Fluchtabsicht erfahren und die Absolution erteilt. Erst nach der Einnahme der Festung Glatz durch die Österreicher 1760 wurde die Leiche vom Galgen geborgen und kirchlich bestattet. Der Untergang der preußischen Monarchie ermöglichte schließlich die Vorbereitung eines Seligsprechungsverfahrens, das dann aber wegen der Vertreibung der Glatzer Katholiken nicht mehr eröffnet werden konnte.
Also auch an diesem deutschen Mythos scheint, bei näherem Hinsehen, der Lack abzublättern. Was bleibt noch vom Großen Friedrich?

Ach ja, übrigens: 
Eventuelle Ähnlichkeiten mit zeitgenössischen Diskrepanzen zwischen "aufgeklärter" Toleranz-Ideologie und Wirklichkeit sind zwar (vielleicht) rein zufällig, aber alles andere als unbeabsichtigt!




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